Liebe Schwaben- Piranhas,
nach der grandiosen letzten Saison haben sicherlich viele VFB-Anhänger zumindest insgeheim gehofft, dass der Höhenflug des VfB zumindest „fast so“ weitergeht. Dieser Traum hat sich leider nicht ganz erfüllt, obwohl der VfB mit dem eigentlich eingeplanten Sieg gegen den FC St. Pauli mit 26 Punkten auf Platz fünf in die kurze Winterpause gegangen wäre. Mit 23 Punkten aus 15 BL-Spielen – sechs Siege, fünf Unentschieden und vier Niederlagen- steht der VfB aktuell auf Platz zehn. Platz drei ist aber derzeit gerade mal vier Punkte entfernt. Der Traum vom erneuten Einzug in das europäische Fußballgeschäft darf daher noch weitergehen.
Bis zur Winterpause 2024/2025 hat die Mannschaft ein ungewohntes Mammutprogramm absolviert: In Summe 25 Pflichtspiele. Neben den 15 BL-Spielen standen sechs Spiele in der CL-League, drei Spiele im DFB-Pokal und das Supercup-Spiel auf dem Programm. Zudem spielten 12 Spieler aus dem Profi-Kader des VfB in ihrer jeweiligen A-Nationalmannschaft (davon sechs Spieler in der A-Nationalmannschaft Deutschlands). Vier weitere Spieler aus dem aktuellen Profikader waren als Junioren-Nationalspieler unterwegs. Insofern hat der VfB „abgeliefert, und zwar in allen Wettbewerben“, so fasste Fabian Wohlgemuth den bisherigen Saisonverlauf kurz und treffend zusammen. In der Bundesliga hat der VfB -von der vergangenen Saison abgesehen- seit 18 Jahren nicht mehr so viele Punkte aus 15 Spielen gesammelt, im DFB-Pokal wurde dem VfB für das Viertelfinale ein Heimspiel gegen den FC Augsburg zugelost und in der CL-League ist die Chance in Takt, den Schritt in die Zwischenrunde aus eigener Kraft zu machen.
Das Fazit, das Fredi Bobic über den Verlauf der aktuellen Saison für den VfB vor kurzem in seiner typischen, griffigen Ausdrucksweise gezogen hat, gefällt mir. Er meinte: „Mein Respekt für den VfB, wie er es bislang gemacht hat in dieser Saison. Was letztes Jahr passiert ist, war außergewöhnlich. Normalerweise schmierst du danach irgendwo ab, siehe Union Berlin, die auch in der Champions League waren und dann gegen den Abstieg gespielt haben“.
Die Herausforderungen, mit denen der VfB in die laufende Saison gestartet ist, waren groß. Und die ersten 25 Spiele haben zweifellos ihre Spuren hinterlassen. Nicht nur, dass nach Ende der letzten Saison mit Anton und Ito zwei Schlüsselspieler der Abwehr dem VfB den Rücken gekehrt haben, sondern auch Guirassy, der in der Offensive eine sehr große Lücke hinterlassen hat. Neben weiteren Abgängen wurden in der letztjährigen Sommertransferzeit erneut zahlreiche Neuzugänge verpflichtet. Die Abwehr wurde mit drei neuen Spielern „aufgefüllt“ (Jeff Chabot, Ramon Hendriks und Ameen Al-Dakhil). Zudem wurde für die Abwehr Frans Krätzig für ein Jahr als Leihspieler unter Vertrag genommen. Für die Offensive wurden zunächst Ermedin Demirovic und Nick Woltemade verpflichtet. Nach dem Wechsel von Silas - kurz vor Ende der Sommertransferperiode- meldete der VfB zudem die Ausleihe (mit Kaufoption) von El Bilal Touré. Auch im Mittelfeld gab es etliche Veränderungen, Yannik Keitel und Justin Diehl wurden neu verpflichtet und Fabian Rieder für ein Jahr ausgeliehen (mit Kaufoption).
Trotz dieser vielen Veränderungen und den zahlreichen verletzungsbedingten Ausfällen ist es gelungen, die Spielidee von Sebastian Hoeneß, den Ball möglichst lange in den eigenen Reihen zu halten und das Spiel überlegt aufzubauen, beizubehalten. Nicht zuletzt auch deshalb hat die Offensive mit 29 Toren in 15 BL-Spielen eine respektable Bilanz vorzuweisen, zumal wenn man bedenkt, dass Deniz Undav und Jamie Leweling die sechs letzten BL-Spielen vor der Winterpause wegen Verletzung nicht mitmachen konnten und zudem El Bilal Touré seit Mitte November 2024 auf Grund einer schweren Verletzung ausgefallen ist und wohl auch in den nächsten Monaten nicht zurückkehren kann. Und das gerade zu einem Zeitpunkt, als er seine Torgefährlichkeit nach einer verständlichen Eingewöhnungszeit aufblitzen ließ. Ermedin Demirovic kam zwar in allen BL-Spielen zum Einsatz, wird aber auch selbst mit seiner bisherigen Torausbeute nicht zufrieden sein können. Nick Woltemade wurde von Sebastian Hoeneß mit Kurzeinsätzen sowie in den drei ersten DFB-Pokalspielen behutsam aufgebaut, hat aber in den letzten sechs BL-Spielen vor der Winterpause dem Offensivspiel des VfB enorm gutgetan und zudem in diesen sechs Spielen vier Tore geschossen -eins schöner als das andere. Auffällig sind trotzdem die (zu vielen) vergebenen Chancen. Sieben Latten- oder Pfostentreffer und drei (von vier) nicht verwandelte Elfmeter stehen zu Buche. Die Angst des Schützen vor dem Elfmeter hat ausgerechnet Nick Woltemade überwunden, mit einem frechen Strafstoß auf die Mitte des Tores.
Im Mittelfeld ist der VfB unverändert gut unterwegs. Mit Fabian Rieder und Yannik Keitel wurden zwei weitere erfahrene, technisch sehr gute und schnelle Spieler verpflichtet. Mich hat vor allem Enzo Millot begeistert. Er hat, statt Sommerurlaub zu machen, bei Olympia in Paris mit der U21-Nationalmannschaft die Silbermedaille geholt und zudem, trotz fehlender Sommerpause, überragende Spiele abgeliefert, auch wenn er leider einige aussichtsreiche Torchancen vermasselt hat (so wie z.B. gegen St. Pauli). Erwähnen möchte ich auch Angelo Stiller. Er hat nach Alexander Nübel die höchste Einsatzzeit und die mit großem Abstand höchste Laufleistung aller VfB-Profis gehabt. Allerdings haben auch einige Fehler und Unachtsamkeiten im Mittelfeld zu Gegentoren geführt. Das Aufbauspiel des VfB ist das Herzstück des VfB-Spiels, aber auch risikobehaftet, vor allem wenn die generische Mannschaft versucht, den VfB im Spielaufbau mit allen erlaubten und nicht erlaubten Mitteln zu attackieren. Diese Taktik haben einige Gegner konsequent angewandt. Mit der Folge, dass der VfB laut Statistik allein 11 der 25 Gegentore in den bisherigen BL-Spielen nach Ballverlust im Spielaufbau hinnehmen musste. So viele wie bei keinem anderen Team der Bundesliga. Womit ich bei der VfB-Defensive bin. Rein statistisch betrachtet war die Abwehr des VfB mit 51,5% gewonnenen direkten Zweikämpfen ausgesprochen stark. Nur der FC Bayern München und 04 Leverkusen haben eine noch höhere Quote in der Abwehr gehabt. Aber individuelle Fehler oder schlicht Aussetzer eines oder mehrerer Spieler führten unmittelbar zu Gegentoren. Das Resultat: 25 Gegentore in 15 BL-Spielen bzw. 40 Gegentore in den bisher 25 Spielen. Das sind einfach zu viele Gegentore. Wohlgemuth meinte dazu: “Man kann schon sagen, dass die defensive Stabilität Schwankungen unterworfen war“. Sehr nett formuliert. Sebastian Hoeneß brachte es klar auf den Punkt: „Wir müssen weniger Gegentore bekommen“.
Der VfB hat nach Abschluss der letzten Saison in der Defensive einen enormen Qualitätsverlust zu kompensieren gehabt. Nicht nur der Weggang von Anton und Ito haben die Abwehr geschwächt, sondern auch der erneute und wieder monatelange Ausfall von Dan-Axel Zagadou. Mit Jeff Chabot konnte der VfB einen starken Innenverteidiger verpflichten. Er ist der VfB-Spieler mit der besten Passquote und gewinnt die meisten Kopfballduelle und ist aus der Abwehr des VfB derzeit nicht wegzudenken. Sein Spielaufbau ist allerdings „ausbaufähig“. Ameen Al-Dakhil, belgischer A-Nationalverteidiger, wurde als großer Hoffnungsträger und für viel Geld als Nachfolger von Anton verpflichtet. Seine bisherige Zeit beim VfB ist leider ausschließlich gekennzeichnet durch eine langwierige Verletzung, die bei der Verpflichtung bekannt und noch nicht ausgeheilt war, durch eine anschließende Erkrankung und fehlende Spielpraxis.
Beim gestrigen Trainingsauftakt waren bis auf die Langzeit-Ausfälle Dan-Axel Zagadou und El Bilal Touré sowie dem derzeit noch verletzten Justin Diehl alle Spieler dabei. Auch Al-Dakhil, der wieder ganz fit und gesund sein soll. Auch Deniz Undav und Jamie Leweling sollen wieder voll belastbar sein. Mit dabei waren auch die drei Youngster Jarzinho Malanga (18 Jahre, U21 des VfB und DFB U19 Nationalspieler, Linksaußen, mit bisher 3 Kurzeinsätzen), Efe Korkut (18 Jahre und U19 des VfB, zentrales Mittelfeld) sowie der lange verletzte Luca Raimund (19 Jahre, Mittelfeld). Nach der Winterpause hat der VfB in 24 Tagen acht Pflichtspiele zu bestreiten. Dieses erneute Mammutprogramm startet mit dem BL- Auswärtsspiel in Augsburg. Weiter geht es dann im Dreitages- Rhythmus mit vier BL-Spielen, zwei CL-Spielen und dann am 04.02.2025 im Pokalspiel zu Hause erneut gegen den FC Augsburg. Nach dem Pokalspiel gegen Augsburg wissen der VfB und wir VfB-Fans, ob es in der MHP-Arena zumindest noch eine weitere magische Nacht in dieser CL- Saison gibt und/oder ob es dem VfB gelungen ist, erneut das Halbfinale des DFB-Pokal bestreiten zu dürfen.
Alles ist in den 24 Tagen nach dem Restart des Spielbetriebs nach der Winterpause möglich, auch, dass sich der VfB nach dem Pokalspiel gegen Augsburg für den Rest der laufenden Saison ausschließlich auf die Bundesliga konzentrieren kann. Und es geht in diesen 4 Wochen um viel Geld. Es winken zumindest weitere ca. 10 Mio. Einnahmen. Geld, das der VfB sicherlich liebend gerne zur Verfügung hätte, um zusätzlichen Spielraum zu haben, um abwanderungswillige Spieler mit finanziell attraktiven Angeboten zum Bleiben zu bewegen. Und ganz davon abgesehen wären das Erreichen der Zwischenrunde der CL und des Halbfinales im DFB- Pokal auch sportliche Highlights. Nicht nur für die Spieler, den Verein und das Umfeld, sondern auch und insbesondre für Sebastian Hoeneß.
Warum dazu nicht auf das vorhandene Personal setzen? Mit Ausnahme der Langzeitverletzten Dan-Axel Zagadou und El-Bilal Touré sind alle Spieler fit und einsatzbereit. Armeen Al-Dakhil konnte seine Klasse bisher noch überhaupt nicht zeigen, hat aber seit langer Zeit kein Spiel bestritten. Leonidas Stergiou hat - verletzungsbedingt - in dieser Saison erst Mitte November 2024 sein erstes Spiel bestreiten können. Die Verletzungsliste von Josha Vagnoman ist außergewöhnlich lang. Zuletzt konnte er wegen einer Fußverletzung im April 2024 dreieinhalb Monate kein Spiel bestreiten und hatte dann für zwei Monaten einen Trainingsrückstand. Er ist seit Beginn der laufenden Saison wieder voll einsatzfähig und kam in den ersten 15 BL-Spielen regelmäßig zum Einsatz. Seine frühere Form, mit der er auch in die A-Nationalmannschaft berufen wurde, hat er aber noch nicht wieder erreicht. Arnie Chase ist nicht nur sehr jung (20 Jahre), sondern wurde auf Grund der vielen Ausfälle in der Abwehr quasi ins kalte Wasser abgetaucht worden. Er spielte in 12 der 15 BL-Spielen mit, bestritt vier der bisherigen sechs CL-Spiele und kam in allen DFB-Pokalspielen zum Einsatz. Natürlich spielte er nicht fehlerfrei, aber auch seine Lern- und Leistungskurve zeigt nach oben. Im Übrigen haben frühere und die heutigen Leistungsträger beim VfB auch nicht vom ersten Tag an „funktioniert“. Dies gilt z.B. und besonders auch für Ito und Anton, die erst beim VfB zu Führungsspielern herangereift sind und in ihre Nationalmannschaft berufen wurden. Fast alle Spieler sind fit und brennen auf ihren Einsatz. Daher ist aus meiner Sicht weiterhin volles Vertrauen in diesen Kader angesagt. Ich kann mir schwer vorstellen, dass ein in der jetzigen Winterwechselperiode neu verpflichteter Spieler dem VfB in den entscheidenden nächsten Wochen bis Anfang Februar 2025 sofort helfen kann, falls ein geeigneter Spieler in der Wintertransferzeit überhaupt auf dem Markt ist und dieser in das Gehaltsgefüge des VfB passt, es sei denn, der abgebende Verein wäre mit einer Leihe einverstanden.
Aber warten wir ab- die Verantwortlichen beim VfB sind immer für (positive) Überraschungen gut -zumal Fabian Wohlgemuth die 40 Gegentore in 25 Pflichtspielen vielsagend kommentierte: „Deswegen machen wir uns Gedanken, ob wir da was ändern. Wenn es Lösungen gibt, können Vorgriffe möglich sein“.
Und zur Situation im Angriff meinte er, ebenfalls vielsagend: Wenn es eine Situation gibt, wo es passt – in die taktische Struktur und in Sachen Nachhaltigkeit- denken wir auch darüber nach“.
So viel für heute.
Herzliche Grüße aus dem Schwarzwald
Bernhard
Soe/04.01.2025