Magische Nächte. Champions-League 2024/2025. Teil 3
Es war wieder ein überragendes Erlebnis in der MHP-Arena. Mit dem erhofften und unbedingt notwendigen Erfolg im Spiel gegen den amtierenden Schweizer Meister, den Berner Sport Club (BSC) Young Boys, hat sich der VfB seine Chance erhalten, in die Play-off’s der CL 2024/2025 einzuziehen.
Die Young Boys sind der bekannteste und traditionsreichste Fußballclub der Schweiz. Sie haben mit aktuell 20.000 Mitgliedern die höchste Mitgliederzahl aller 12 Mannschaften der„Credit Suisse Super League“ und mit 65,5 Mio. EUR den höchsten Marktwert. In den letzten sieben Jahren wurde Young Boys Bern sechs Mal Meister, hat in dieser Zeit drei Mal in der Champions League mitgespielt und sich zwei Mal für die Gruppenphase der Europa League qualifiziert. Vergleicht man diese Zahlen mit denen des VfB Stuttgart - aktuell 110.000 Mitglieder und ein Marktwert des Kaders von rd. 313 Mio. EUR - dann ist der klare Sieg des VfB gegen die Young Boys so einzustufen, wie Sebastian Hoeneß vor dem Spiel angekündigt hat: „Wir werden dieses Spiel so angehen, wie man ein Spiel angeht, wenn es um viel geht. Wir werden nicht abwarten und schauen, was uns der Gegner anbietet.“
In der ersten Halbzeit hatte ich aber lange nicht den Eindruck, dass sich die Mannschaft an das erinnert hat, was Sebastian Hoeneß angekündigt hatte. Ich wollte kaum glauben, was sich die Mannschaft an Unkonzentriertheiten leistete, fast jeder von Millot gespielte Pass kam beim Gegner an, Nübel zeigte beim frühen Tor der Schweizer überhaupt keine Reaktion und Demirovic war zwar „stets bemüht“, vermasselte aber zwei aussichtsreiche Chancen. Er tut sich nach wie vor sehr schwer. Vielleicht ist die Last der hohen Ablösesumme und der damit verbundene Druck für ihn (noch) zu groß, auch wenn er in so manchem Interview vor Selbstbewusstsein geradezu strotzt.
Umso mehr hat auch mich die zweite Halbzeit begeistert. Tore „wie aus dem Lehrbuch“, gegen einen Gegner, der der Schnelligkeit und dem Druck des VfB nichts mehr entgegensetzen konnte. Die Unterschiede zwischen beiden Mannschaften werden nicht an den oben genannten, wenigen Zahlen ersichtlich, sondern auch an dem klaren Sieg des VfB. Eine weitere magische Nacht- mit dem ersten Sieg in der Champions League seit fast genau 15 Jahren – am 09.12.2009. Damals gab es einen 3:1 Sieg gegen Unirea Urziceni. Ach ja, Jens Lehmann hütete in diesem Spiel das Tor und sorgte mit einem außergewöhnlichen „Ausflug“ für eine der kuriosesten Szenen, die ich jemals bei einem Fußballspiel gesehen habe: In der letzten Viertelstunde der Begegnung sprang Lehmann über die Bande hinter seinem Tor, umdort zu pinkeln.
Mit diesem Sieg feierte der VfB damals als Gruppenzweiter den Einzug ins Achtelfinale der CL-League-Runde 2009/2010. Mit dem nun geänderten CL-Modus war davon in der laufenden CL-Spielzeit 2024/2025 natürlich nicht einmal träumen. Die Chance, dieses Mal zumindest noch die Play-off’s zu erreichen, besteht aber nach dem Sieg gegen die Young Boys Bern weiterhin. Und dies ist noch aus eigener Kraft machbar. Allerdings ist die Ausgangssituation recht anspruchsvoll geworden.
Zu Beginn der diesjährigen Cl-Runde haben die viele Experten auf Grundlage von Rechenprogrammen, bei denen das Abschneiden der Champions League-Teilnehme auf der europäischen Fußballbühne in den letzten fünf Jahre die zentrale Rolle gespielt hat, berechnet, dass im besten Fall sieben bis acht Punkte ausreichen sollten/könnten, um zumindest Platz 24 zu erreichen. Pustekuchen. Auch ich habe die Wirkung des geänderten Modus der CL-Runde völlig falsch eingeschätzt- ohne Rechenprogramm. Mit dem Sieg gegen Young Boys Bern hat der VfB sieben Punkte und liegt damit in der CL- Tabelle aktuell „nur“ auf Platz 26, direkt hinter PSG. PSG hat nicht mehr Punkte als der VfB auf dem Konto, weist aber eine um drei Tore bessere Tordifferenz auf.
Alle Mannschaften bis zum aktuellen Platz 14 haben nach sechs der acht Spiele mindestens elf oder mehr Punkte. Bei noch zwei ausstehenden Spielen ist davon auszugehen, dass sie alle die Play-off’s erreichen. Die Mannschaften auf den Plätzen 15 bis 19 haben zehn Punkte. Auch sie sind wohl stark genug, um aus den beiden letzten Spielen noch mindestens zwei Punkte zu holen. Auf Platz 20 und 21 folgen Real Madrid und Celtic Glasgow mit je neun Punkten. Auf den letzten drei Plätzen 22 bis 24, die zur Teilnahme an den Play-off’s berechtigen, findet man mit je acht Zählern derzeit Man City, PSG Eindhoven und Dinamo Zagreb.
Zu Beginn der CL-Runde 2024/2025 gab es auch einige Experten, die meinten, zehn Punkte würden zum Erreichen der Play-off’s ausreichen. Angesichts der aktuellen Tabelle dürften aber selbst zehn Punkte kaum reichen. Geht man davon aus, dass 19 der 24 Mannschaften die Play-off’s vor den beiden letzten Spieltagen im Januar 2025 erreicht haben, kämpfen noch sieben Mannschaften um die restlichen fünf Plätze in den Play-off’s. Dabei hat der VfB derzeit die anspruchsvollste Ausgangslage. Er hat zusammen mit PSG nicht nur die wenigsten Punkte, sondern hat mit Ausnahme von Dinamo Zagreb auch die schlechteste Tordifferenz und zudem die zweitwenigsten Tore geschossen. Das Torverhältnis von Dinamo Zagreb ist mit minus fünf noch schlechter als das des VfB, während PSG mit Null gegenüber minus drei des VfB die deutlich bessere Tordifferenz aufweist.
Wie sieht das Restprogramm der sieben Mannschaften aus, die um die restlichen fünf Plätze
in den Play-off’s kämpfen?
- • Real Madrid (Platz20) spielt noch zu Hause gegen Salzburg (Platz 32) und auswärts gegen Brest (Platz 7) antraten
- • Celtic Glasgow empfängt Young Boys Bern (Platz 36) und spielt zum Abschluss bei Aston Villa (Platz 5)
- • Man City (Platz 22) hat zunächst ein Auswärtsspiel bei PSG (Platz 25) und empfängt am letzten Spieltag Brügge (Platz 19). Man City hat diese Woche bei Juventus Turin mit 2:0 verloren und wettbewerbsübel übergreifend nur eines seiner letzten zehn Spiele gewonnen.
- • Eindhoven (Platz 23) spielt auswärts noch bei Roter Stern Belgrad (Platz 31) undbekommt es zum Abschluss zu Hause mit Liverpool (Platz 1) zu tun
- • Auf Dinamo Zagreb (Platz 24) warten mit dem Auswärtsspiel gegen Arsenal London (Platz 3) und dem Heimspiel gegen AC Mailand (Platz 12) zwei „Hammerendspiele“
- • Auf dem Papier und mit der „VfB-Brille“ auf der Nase hat auch PSG (Platz 25) einanspruchsvolles Restprogramm. Im vorletzten Spiel hat PSG, einen Tag nach dem Spiel des VfB in Bratislava, sein letztes Heimspiel gegen Man City (Platz 22), und muss im letzten Spiel dann in der MHP-Arena bei VfB (Platz 26) antreten.
Bei diesen Konstellationen verbieten sich alle (erneuten) Rechenspielchen. Ein Sieg im Auswärtsspiel bei S. Bratislava am 21.01.2025 ist schlicht die Voraussetzung, damit es am achten und letzten Spieltag der Liga-Phase der CL-Runde 2024/2025 für den VfB zu Hause zum alles entscheidenden Spiel gegen PSG kommt. Ein absolutes Knüllerspiel – eine weitere magische Nacht in der MHP-Arena.
Bratislava hat alle bisher absolvierten sechs Spiele in der CL-Runde 2024/2025 verloren, dabei lediglich fünf Tore (davon ein Elfmeter) geschossen, aber 21 Tore kassiert. Das sieht „auf dem Papier“ erneut gut aus für den VfB. Aber Roter Stern Belgrad hatte bis zu seinem Heimspiel gegen den VfB auch noch kein Spiel gewonnen und nach dem Sieg gegen den VfB bei seinem CL- Spiel in dieser Woche wieder eine Niederlage kassiert. Insofern wage ich gar nicht daran zu denken, dass der VfB nochmals so einen „Auftritt“ wie in Belgrad auch im Spiel in Bratislava haben könnte.
Zuversichtlicher stimmt auch, dass bis dahin die derzeit schmerzlich vermissten Offensivkräfte des VfB, Undav und Leweling, wieder fit sein dürften und Al-Dakhil dann hoffentlich nicht nur ganz gesund ist, sondern die Abwehr verstärken kann. Vielleicht bekommt er in den beiden letzten BL- Spielen vor der Winterpause und/oder den drei Spielen in der Bundesliga nach der Winterpause, die noch vor dem Spiel gegen Bratislava zu spielen sein werden, Einsatzzeiten, um rechtzeitig Spielpraxis sammeln zu können. Al-Dakhil hat nach seiner Einwechslung gegen die Young Boys in den wenigen Minuten gezeigt, dass er ein „Guter“ für die Abwehr des VfB sein wird. Es muss Gründe geben, dass er für alle belgischen U-Nationalmannschaften gespielt hat und im Alter von 21 Jahren 2023 sein Debüt in der belgischen A-Nationalmannschaft gab. Die Formkurve von Führich zeigt wieder nach oben und Keitel gefällt mir sehr gut. Er ist schnell, robust und hat auch den Drang, (stramm) aufs Tor zu schießen, was bei Karazor bisher so manches Mal nicht den Anschein hatte. Nicht zuletzt steht auch nach den Bundesligaspielen in Heidenheim und zu Hause gegen St. Pauli die Winterpause an. Sie ist zwar kurz, aber es ist sicherlich Zeit genug zum Abschalten und Regenerieren. Insofern ist davon auszugehen, dass sich der VfB nach der Winterpause bei S. Bratislava anders präsentieren wird als in Belgrad. Und es sollten gegen Bratislava auch möglichst viele Tore erzielt werden. Am Ende könnte die Tordifferenz und/oder die Zahl der geschossenen Tore darüber entscheiden, welche zwei Mannschaften die Play-off’s der CL-Runde 2024/2025 verpassen.
So viel für heute und vor Weihnachten.
Ich wünsche Euch noch eine schöne Adventszeit und frohe Weihnachten.
Viele Grüße aus dem Schwarzwald
Bernhard
13.12.2024/Soe