Liebe Piranhas,
aus der Römerzeit ist eine Redewendung des römischen Philosophen und Dramatikers L. Annaeus Seneca bekannt: „Per aspera ad astra“. Wörtlich übersetzt heißt dies: “Durch das Rauhe zu den Sternen”. Im Duden wird die Redewendung von Seneca sinngemäß mit „Durch die Nacht zum Licht“ beschrieben.
Diese Redewendung, die im Übrigen von Institutionen wie der Royal Air Force, mehreren Universitäten und auf der Flagge des US-Bundesstaates Kansas benutzt wird, ist mir im Zusammenhang mit dem Auftauchen des VfB aus der tiefen Nacht des Bundesliga-Kellers in den Sinn gekommen. Mit Jürgen Kramny als Cheftrainer geht es mit dem VfB wieder aufwärts. Unter Kramny hat sich der VfB eindrucksvoll und quasi über Nacht zurückgemeldet und sieht nun wieder Licht. Noch lange wird wohl kein weiterer Stern am Himmel über Stuttgart stehen, aber der VfB und alle seine Anhänger können wieder nach Oben schauen.
Wie wohltuend unterscheidet sich Jürgen Kramny von seinem selbstherrlichen und kläglich gescheiterten Vorgänger, der auf bestem Weg war, den VfB in die 2. Bundesliga zu führen. Zorniger hat den Spielern seine Spielidee förmlich aufgezwungen, ohne die Fähigkeiten und Erfahrungen der einzelnen Spieler zu berücksichtigen. Als Folge wurde die Defensive sträflich vernachlässigt und es hagelte bittere Niederlagen. Trotzdem bezeichnete Zorniger seine Spielauffassung mehrfach als alternativlos. Mit diesem kompromisslosen Verhalten verunsicherte Zorniger sowohl die Spieler als auch das Umfeld. Nach dem 0:4 Debakel im Heimspiel gegen Augsburg meinte Zorninger noch voller Ironie, dass er wohl etwas Entscheidendes übersehen habe. Ja so eine dümmliche Erkenntnis. Unter ihm hatte der VfB aus 13 Spielen gerade mal 10 Punkte auf dem Konto, schoss trotz bedingungslosen Balljagens nur 17 Tore, bekam aber 31 Gegentore.
Mit Jürgen Kramny als Trainer hat der VfB in 9 Bundesligaspielen 18 Punkte geholt und ein Torverhältnis von 17:11 erreicht. Unter ihm wird offensichtlich wieder jeder Spieler respektiert. Die Sachlichkeit, die Kramny ausstrahlt, ist wohltuend. Nicht er will im Mittelpunkt stehen, er ist kein Ich- bezogener Mensch. Kramny lässt die Mannschaft das spielen, wozu sie in der Lage ist. Und sie ist ganz offensichtlich zu Einigem fähig. Noch immer staune ich, dass die Mannschaft unter Jürgen Kramny so schnell die Balance gefunden hat. Es wird nicht mehr auf dem ganzen Spielfeld bedingungslos nach dem Ball gejagt. Dadurch ist die Lücke zwischen der Abwehr und dem Mittelfeld nicht mehr so groß und es gibt weniger 1:1 Situationen vor dem oder im eigenen Strafraum oder sogar mit dem eigenen Torwart. Die Innenverteidigung mit Niedermeier und Schwaab steht solide. Dies gilt auch für Insúa und Großkreuz auf den Außenverteidigerpositionen, die zudem beide offensiv denken und schnell handeln können Tyton ist ein guter Torwart und auch fußballerisch besser als sein Vorgänger. Im Mittelfeld ist der VfB gut besetzt. Gentner darf unter Kramny offensiver agieren, Kostic ist plötzlich wieder hochmotiviert und Rupp hat sich nach der Verletzung von Harnik im rechten Mittelfeld so richtig gut entwickelt und ist auch torgefährlich. Auf der Position des Spielmachers hat der VfB meiner Ansicht nach mit Maxim einen fast gleichwertigen Ersatz für Didavi. Im Sturm fehlt Ginzcek buchstäblich an allen Ecken. Vielleicht lässt Kramny die Leihgabe von Dynamo Kiew, Artem Kravets, auch in einem Bundesligaspiel mal von Beginn an spielen. Es scheint so, dass er aus wenigen Chancen ein Tor erzielen kann und ist beim Torabschluss ruhiger als Werner.
Aber der Weg zum Licht oder gar zu den Sternen, sprich, mal wieder in Richtung Europa zu denken, ist noch weit. Die richtigen „Kaliber“ warten auf den VfB in den nächsten Spielen. Beim Auswärtsspiel in Schalke dachte ich nach der ersten Halbzeit, dass nun die zweite Niederlage unter Kramny fällig ist. Drei Jahre in den dunklen Regionen des Tabellenkellers haben auch an meiner Zuversicht schwer genagt. Und dann schafft der VfB in Schalke doch noch den verdienten Ausgleich. Dieses Spiel hat gezeigt, dass unter Kramny das Vertrauen in das eigene Können und auf Grund der kleinen Siegesserie wieder gestiegen ist.
Es sind noch 11 Spiele zu absolvieren. Zum Klassenerhalt fehlen dem VfB vielleicht noch 10 Punkte? Mit einem Sieg am kommenden Samstag hätte der VfB 31 Punkte. Dann wären wir wieder am Licht, noch weit weg von den Sternen, aber auch weit genug weg von den Abstiegsplätzen. Und mehr als den Nichtabstieg wünsche ich mir in dieser Saison nicht.
Viele Grüße aus dem Schwarzwald
Bernhard
Soe/25.02.2016